Kann KI gegen Einsamkeit helfen

rechte menschliche Hand und linke Roboterhand formen zusammen ein Herz

Einsamkeit
[ˈaɪ̯nzaːmkaɪ̯t] Substantiv, feminin

Subjektives Gefühl des unfreiwilligen inneren Getrenntseins von sozialen Bindungen und Gebrauchtwerdens.

Informationsgrafik: Rate der weltweiten Einsamkeit bei Älteren 25 Prozent, bei Heranwachsenden 5-15 Prozent

So könnte eine kurze und prägnante Definition von Einsamkeit aussehen. Unterschiedlich definiert werden in der Psychologie Einsamkeit und allein sein. Allein sein ist ein selbst gewählter Zustand, um sich selbst zu resetten oder den Pause-Knopf ganz bewusst zu drücken. Dagegen Einsamkeit kann nicht so einfach wieder verlassen werden. Hier ist das Fehlen von sozialer Interaktion nicht selbst gewählt. Studien der World Health Organisation (WHO) gehen davon aus, dass eine von vier älteren Erwachsenen soziale Isolation erleben, bei Heranwachsenden sei die Zahl mit 5 bis 15% ebenfalls nicht zu unterschätzen.

Die WHO gründete gar eine Kommission für soziale Kontakte, um die Bedeutung zwischenmenschlicher Beziehungen für die Gesundheit in den Fokus einer breiten Öffentlichkeit zu rücken.

Voraussetzung für das digitale Miteinander

Doch wie treten wir miteinander in Kontakt in der digitalisierten Welt, in der wir heute leben? Dating-Apps sind längst auf vielen Smartphones installiert. Doch es locken auch Apps, in denen man sich seinen Gesprächspartner selbst generieren kann und mittels künstlicher Intelligenz und dem Einsatz von Large Language Modellen kommuniziert. In den Apps lässt es sich realisieren, das virtuelle Gegenüber auch optisch nach eigenen Wünschen zusammenzustellen. Je nach Abovertrag wird ermöglicht, mit dem Chatbot neben dem Austausch von Textnachrichten zu telefonieren oder durch Virtual Realitiy-Brillen sogar zu „begegnen“. Ist dies ein vollwertiger Ersatz für zwischenmenschliche Beziehungen und hilft so den Einsamen aus ihrer Lage? Die KI ist durch ihre Fähigkeit zur Sentimentanalyse inzwischen dazu imstande, menschlichen Emotionen zu erkennen, zu analysieren und nachzuahmen. So werden eigene Gefühle simuliert.

KI bietet Chancen gegen Einsamkeit

Und scheinbar fällt es Menschen nicht sehr schwer, sich auf diese virtuelle Gefühlswelt einzulassen. Es wird immer wieder beobachtet, dass die Menschen zur Anthropomorphisierung neigen – dem Zuschreiben menschlicher Eigenschaften für Nichtmenschliches wie etwa technischen Geräten. Agiert das Gerät dann auch noch menschenähnlich, wird das virtuelle Gegenüber als Lebewesen wahrgenommen. Auf Nutzerseite können sich schnell positive Gefühle einstellen. Zumal der KI alles anvertraut werden kann.

Auch ist es möglich, an der KI seine Kompetenzen für eine reale Beziehung zu erweitern und einzuüben. Und sie stillt schließlich auch die Bedürfnisse nach einem Gesprächspartner, vielleicht sogar einem Freund. Dass sie lieber mit einer künstlichen Stimme spricht als mit niemanden, das berichtet eine der App-Anwenderinnen. Selbst wenn es im Bewusstsein ist, dass es sich um eine virtuelle Entität handelt, das Einsamkeitsgefühl sei kurz vergessen.

Kulturelle Normen

Doch die westliche Welt ist noch nicht so weit, derartige Beziehungen anzuerkennen. Kulturelle Normen ändern sich nur langsam. Im asiatischen Raum ist man bereits weiter. Dort ist es akzeptiert, einen Avatar zu heiraten und eine Beziehung mit Robotern oder Hologrammen zu führen. Daher wird möglicherweise auch hier ein Bewusstsein dafür geschaffen, den veränderten Status von Beziehungen zu KI oder Robotern schrittweise anzuerkennen.

Risiken bei der Anwendung von KI gegen Einsamkeit

Der deutsche Ethikrat weist darauf hin, dass KI die Entfaltungsmöglichkeiten von Menschen nur erweitern sollte und diese nicht verringern darf, eine KI darf den Menschen nicht ersetzen. Durch die stete Ansprechbarkeit kann es vorkommen, dass so eher die Unselbstständigkeit gefördert wird, indem man Entscheidungen an die KI delegiert. Darüber hinaus ist es auch möglich, dass Menschen durch Beziehungen mit einer KI verlernen, Beziehungen mit anderen Menschen zu führen. Eine weitere Problematik ist die Ich-Fixierung solcher Beziehungen: Da die KI das Verhaltensrepertoire der Nutzenden spiegelt, bleibt die Bindung einseitig und egozentriert – im Gegensatz zu einer Beziehung mit einem echten, seelenvollen Gegenüber. Und auch das Körperliche kommt in solchen Konstrukten zu kurz. Echte Nähe, Berührungen, Blicke, Intimität – das alles lässt sich im Moment noch nicht zufriedenstellend simulieren. Dies kann dazu führen, dass das Bedürfnis nach echter Nähe unerfüllt bleibt, wodurch sich die Einsamkeit der Nutzenden sogar verstärken kann.

Ausblick

Doch so weit muss man teils gar nicht gehen und sich aktiv eine App oder einen Roboter anschaffen, um die Einsamkeit zu bekämpfen. Smartphones haben schon seit langem mit Siri oder mit dem Google Assistant („Hey Google“) smarte Helfer verbaut. Ebenso wird die Sprachassistenz Amazon Alexa oft unbewusst als ein Gesprächspartner genutzt. Mit den neusten Google Phones fällt die KI Gemini in die Hände der Nutzenden. Die Hersteller geben das Gefühl, mit jedem Problem an die KI herantreten zu können und diese immer eine Lösung bereithält. Sei es zur Hilfe bei der Autoreparatur oder um sich einfach über seinen Tag zu unterhalten – die Hersteller suggerieren Antworten in allen Lebenslagen wie dieses Werbevideo eindrücklich zeigt.

Fazit

Die KI kann menschlichen Kontakt (noch) nicht ersetzen und so gänzlich gegen Einsamkeit helfen. Sie bietet aber Möglichkeiten, Einsamkeit punktuell zu mindern und soziale Kompetenzen zu trainieren. Sie fungiert als Brückenbauer zwischen der digitalen und der realen Welt, jedoch bleibt echte Nähe mit all ihren Facetten unersetzlich. Eine Ausgewogenheit ist entscheidend, um die Chancen der Technologie zu gebrauchen, ohne den Anschluss an echte zwischenmenschliche Beziehungen zu verlieren.

Referenzen: