„Library of Things“: Was Bibliotheken jenseits von Büchern ausleihen

Autorin: Tamara Clauß


Was wäre, wenn die Bibliothek, in die Du jeden Monat gehst, nicht nur Bücher und Filme, sondern auch Akkuschrauber, Nähmaschinen oder ein Raclette-Set verleiht? Es wäre eine „Library of Things“ – eine Schatzkammer für den Alltag, die Nachhaltigkeit, Gemeinschaft und Ressourcenschonung in den Vordergrund rückt. Viele moderne Bibliotheken erfinden sich neu: Sie bieten weit mehr als nur gedrucktes Wort. 

In diesem Beitrag nehme ich Dich mit in die Welt der „Dinge-Bibliotheken“: Erfahre, was dieses Konzept bedeutet und dass es nicht nur zeitgemäß, sondern auch sinnvoll ist; was Du davon hast; und was es für die Verbesserung der Umwelt- und Lebensqualität bringt, wenn Bibliotheken zu Orten des Teilens und der Innovation werden.  

Inhaltsverzeichnis
Library of Things: Mehr als nur Bücher – wie Bibliotheken Nachhaltigkeit neu definieren
Hintergrund und Entstehung
Beispiele aus der Praxis – This is where the magic happens
Vorteile der Library of Things für die Gesellschaft und den Einzelnen
Herausforderungen und Zukunftsperspektiven
Fazit: Teilen ist das neue Haben

Ein großes, schwarzes Regal gefüllt mit Büchern, Zeitschriften, Schallplatten, Spielzeug und verschiedenen Gegenständen, das eine Mischung aus traditioneller Bibliothek und persönlicher Sammlung darstellt. Symbolbild für eine Library of Things (Bibliothek der Dinge).
JayMantri / Pixabay

Library of Things: Mehr als nur Bücher – wie Bibliotheken Nachhaltigkeit neu definieren

Bibliotheken befinden sich im Wandel und erfinden sich stetig neu. Einst vor allem stille Lesesäle, sind sie heute nicht zuletzt ein Ort der Gemeinschaft und des Miteinanders. Eine „Library of Things“ steht dabei für mehr als nur das Ausleihen von Dingen. Sie steht für den Zeitgeist. Der gesellschaftliche Fokus rückt immer stärker auf Aspekte wie Nachhaltigkeit, gemeinschaftliches Handeln und Ressourcenschonung. Egal ob Werkzeugkasten, Kuchenform oder Wanderrucksack – leihen statt kaufen liegt voll im Trend, und das spiegelt sich in unserem Konsumverhalten wider.

Der Grund dafür ist weit mehr als bloße Bequemlichkeit. Eine „Library of Things“ schont Geldbeutel und Umwelt und fördert sozialen Austausch. Aber was genau verbirgt sich eigentlich hinter dem Konzept? Was kann man dort entdecken, und welche Herausforderungen müssen gemeistert werden, damit alle profitieren können? Das und noch mehr erfährst Du in diesem Artikel.

Hintergrund und Entstehung

Die Idee der „Library of Things” ist eine Verschmelzung von zwei gesellschaftlichen Bewegungen: der sogenannten Sharing Economy und dem Streben nach mehr Nachhaltigkeit. Als „Sharing Economy“, auch „Shared Economy“ oder „Shareconomy“, bezeichnet man eine Wirtschaftsform, in der besonderer Wert auf das kollektive Verwenden von Ressourcen gelegt wird, während der individuelle Besitz in den Hintergrund tritt. Wieso sollte man Dinge kaufen, die man nur wenig nutzt? Warum nicht stattdessen teilen? Konsumverhalten wird so nachhaltig verändert.

Dieses Prinzip gilt auch für Bibliotheken der Dinge. Statt die Bohrmaschine, den Metalldetektor oder die Gitarre teuer zu kaufen und dann nach kurzer Nutzung verstauben zu lassen, können sie hier einfach ausgeliehen werden. Der Aspekt des Teilens wird also über den individuellen Besitz gestellt. Der Umweltvorteil liegt hier klar auf der Hand.

Du glaubst, diese so einfache wie geniale Idee wäre eine moderne Erfindung? Weit gefehlt! Bereits in den 1970er Jahren entstanden in Deutschland sogenannte Leih-Läden[1], in denen vor allem Kinderspielzeug geliehen statt gekauft werden konnte. Die erste echte „Library of Things“ eröffnete 1979 in der Stadt Berkeley in Kalifornien.[2] Diese hieß aber noch nicht so – der Begriff wurde geprägt von einer gesellschaftlichen Bewegung in London im Jahre 2014, die sich von der ein Jahr zuvor eröffneten Toronto Tool Library inspirieren ließ.[3]

In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrzehnts begann dann der große Vormarsch der Dinge-Bibliotheken auch in Deutschland. 2016 eröffnete die erste in Berlin, mittlerweile gibt es bundesweit über 150.[4]

Beispiele aus der Praxis – This is where the magic happens

Die Idee der „Library of Things“ hat in Deutschland längst Fuß gefasst und wird immer mehr zu einem festen Bestandteil öffentlicher, aber auch wissenschaftlicher Bibliotheken. Viele deutsche Bibliotheken bieten mittlerweile eine solche Dinge-Bibliothek an und erweitern so ihr Angebot über Bücher hinaus zu modernen Kultur- und Ressourcenzentren.

Ein herausragendes Beispiel ist die Gemeindebibliothek Gauting[1]. Sie verfügt über ein breites Spektrum an ausleihbaren Gegenständen, darunter Werkzeuge, Küchengeräte und Freizeitartikel. Ob Bohrmaschine, Raclette-Grill oder sogar ein Tischkicker – die Bibliothek ermöglicht es ihren Nutzer:innen , Dinge auszuprobieren und zu nutzen, ohne sie kaufen zu müssen.

Ein weiteres Beispiel ist die Stadtbibliothek Ludwigshafen, die nach ihrer Renovierung einen Makerspace eröffnet hat, der gleichzeitig auch eine „Library of Things“ ist. Hier können zum einen neben Tablets und Laptops auch Werkzeuge und Geräte ausgeliehen werden, auf der anderen Seite gibt es die Möglichkeit, kreative Projekte direkt vor Ort umzusetzen. Der Südwestrundfunk (SWR) zeigt in einer kurzen Reportage[5], wie diese innovative Idee in Ludwigshafen gelebt und von den Nutzenden angenommen wird.

Südwestrundfunk / YouTube

Die Vorteile einer „Library of Things“ liegen klar auf der Hand: Nutzende sparen Geld und Platz, schonen Ressourcen und erhalten Zugang zu Gegenständen, die sie vielleicht nur ein einziges Mal benötigen und unter anderen Umständen gegebenenfalls teuer kaufen würden. Gleichzeitig fördert das Konzept die Umsetzung der Prinzipien der Sharing Economy[6]. Es unterstützt Umweltschutz und Nachhaltigkeit, da weniger produziert und konsumiert werden muss. Der gesellschaftliche Ressourcenverbrauch wird reduziert.

Durch die Entwicklung solcher Angebote wandeln sich Bibliotheken immer mehr von Bücherhallen zu modernen Kultur- und Ressourcenzentren, die nicht nur Wissen, sondern auch praktische Alltagsgegenstände allgemein zugänglich machen und dadurch sie aktiv zu einer nachhaltigeren Gesellschaft beitragen. Indem sie Dinge für Menschen aus allen Schichten der Gesellschaft zugänglich machen, fördern sie zudem die soziale Gerechtigkeit.

Vorteile der Library of Things für die Gesellschaft und den Einzelnen

Die Beispiele aus der Praxis zeigen, wie vielfältig und lebendig die „Library of Things“ bereits in Deutschland umgesetzt wird. Doch was bedeutet dieses Konzept konkret für Dich und unsere Gesellschaft? Die Vorteile sind vielfältig, sie reichen von praktischem Nutzen bis hin zu tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen.

Stell Dir vor, du könntest Dinge wie ein Zelt, ein Mikroskop oder sogar ein Heimplanetarium einfach ausleihen, anstatt sie teuer zu kaufen und dann viel zu selten zu nutzen. Genau das macht die Bibliothek der Dinge möglich – und dabei geht es um weit mehr als nur um praktischen Nutzen.

Ein essentieller Aspekt ist die Nachhaltigkeit[7]. Indem wir Dinge miteinander teilen, verringern wir unser aller Bedarf an neuen Produkten. Das schont Ressourcen und schützt die Umwelt. Warum sollten in fast jedem Haushalt Gegenstände Staub ansetzen, wenn wir sie gemeinsam nutzen können? So kannst auch Du aktiv dazu beitragen, bewusst nachhaltiger zu konsumieren und die Umwelt dadurch zu entlasten.

Für Dich als Nutzenden bedeutet das vor allem zwei Dinge: Kostenersparnis und Platzgewinn. Brauchst Du wirklich eine eigene Nähmaschine oder eine teure Kameraausrüstung, die Du höchstens einmal im Jahr verwendest? Durch das Ausleihen könntest Du nicht nur Geld sparen, sondern auch Platz in Deinen eigenen vier Wänden.

Doch die „Library of Things“ hat noch mehr zu bieten: Sie stärkt das soziale Miteinander. Beim Ausleihen und Zurückgeben kommt man ins Gespräch, tauscht sich aus und lernt neue Menschen kennen. Bibliotheken werden so zu Orten der Begegnung und des gemeinschaftlichen Handelns. Beim gemeinsamen Arbeiten an einem kreativen Projekt werden neue Freundschaften geknüpft.

Die „Library of Things“ ist mehr als ein praktisches Angebot – sie ist ein Schritt hin zu einer nachhaltigeren, sozialeren und lebenswerteren Gesellschaft. Und Du kannst ein Teil davon sein. Warum nicht einfach mal ausprobieren?

Herausforderungen und Zukunftsperspektiven

Das Konzept „Library of Things“ bietet viele Vorteile – für Dich, die Gesellschaft und die Umwelt. Doch wie bei allem gibt es auch hier Herausforderungen, die gemeistert werden müssen. Gleichzeitig eröffnen sich dabei aber auch spannende Zukunftsperspektiven für Bibliothek und Nutzende.

Eine der größten Herausforderungen ist der Pflegeaufwand. Die ausleihbaren Gegenstände müssen regelmäßig überprüft und gewartet werden, um ihre Funktionsfähigkeit zu erhalten. Das erfordert Zeit, Know How und oft auch zusätzliches Personal. Dazu kommt der Platzbedarf: Größere Gegenstände wie Werkbänke oder Freizeitgeräte benötigen viel Lagerfläche, die nicht jeder Bibliothek zur Verfügung steht. Auch die Verwaltung ist eine Aufgabe, die man nicht unterschätzen darf. Das Angebot muss kontinuierlich an die Nachfrage angepasst werden, um sicherzustellen, dass die Nutzenden auch das finden, was sie suchen. Diese Arbeit fällt dabei zusätzlich zum regulären Bibliotheksbetrieb an.

Ein weiteres zentrales Thema ist die Finanzierung. Die Anschaffungskosten für qualitative Gegenstände können hoch sein, und viele Einrichtungen sind auf Fördergelder, Spenden oder Partnerschaften angewiesen. Besonders für kleinere Bibliotheken ohne zusätzliche finanzielle Mittel und mit stark begrenztem Budget kann dies eine schier unüberwindliche Hürde darstellen. Oft werden teure Gegenstände daher nur als Ersatz für besonders beliebte, stark genutzte oder irreparabel beschädigte Artikel angeschafft[8], um die Kosten im Rahmen zu halten und dafür den Schwerpunkt auf ein breiteres Angebot legen zu können. Das gilt insbesondere dann, wenn zunächst unsicher ist, wie gut der Artikel angenommen wird.

Trotz dieser Herausforderungen gibt es vielversprechende Zukunftsperspektiven. Eine Möglichkeit ist die Zusammenarbeit mit Partnern, etwa mit Unternehmen oder Reparaturcafés. So können nicht nur die Kosten geteilt, sondern auch Expertise und Ressourcen gebündelt werden. Ein digitales Buchungssystem, wie es in fast allen Bibliotheken standardmäßig genutzt wird, vereinfacht die Ausleihe gestaltet die Bestandsverwaltung effizienter.

Vor allem aber gewinnt die „Library of Things“ in einer Gesellschaft, die immer stärker auf Nachhaltigkeit setzt, zunehmend an Relevanz. Nicht umsonst ist ihre Zahl in den vergangenen Jahren sprunghaft angestiegen. Sie zeigt, wie wir durch Teilen und gemeinsame Nutzung Ressourcen schonen und unseren ökologischen Fußabdruck verringern können. Bibliotheken entwickeln sich so zu modernen Zentren für nachhaltigen Konsum und Gemeinschaft – und Du kannst ein Teil dieser Bewegung sein.

Fazit: Teilen ist das neue Haben

Bibliotheken zeigen mit der „Library of Things“ nachdrücklich, wie sie über ihre klassische Rolle als „Bücherhalle“ hinauswachsen können, um als Orte des Teilens und der Nachhaltigkeit anerkannt zu werden. Sie ermöglichen den Zugang zu nützlichen Gegenständen des nicht ganz alltägliche Bedarfs, ohne dass jede:r diese besitzen muss. Damit leisten sie einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Schonung von Ressourcen und Entlastung von Haushalten.

Natürlich stehen solche Projekte immer auch vor Herausforderungen: Sei es die Finanzierung, die Pflege der Gegenstände oder die Organisation eines reibungslosen Verleihsystems – das alles erfordert Engagement und mitunter kreative Lösungen. Doch die Vorteile überwiegen eindeutig: Weniger Konsum bedeutet weniger Umweltbelastung, und geteilte Ressourcen schaffen mehr Gleichheit. Außerdem gilt doch immernoch: geteilte Freude ist doppelte Freude.

Vielleicht gibt es ja auch in Deiner Nähe schon eine Bibliothek der Dinge. Schau doch mal in Deiner Bibliothek vorbei, informier‘ Dich oder mach sogar mit. Denn letztlich lebt dieses Konzept von Menschen, die teilen – nicht nur Dinge, sondern auch Ideen, Verantwortung und Visionen für eine nachhaltigere Zukunft.


[1] Demmelhuber, Sandra (2023): Leihen statt Kaufen: Immer mehr „Bibliotheken der Dinge“. Online unter https://www.br.de/nachrichten/bayern/leihen-statt-kaufen-immer-mehr-bibliotheken-der-dinge,TU3t2wy

[2] globalmagazin (2016): Ausleihen in der Bibliothek der Dinge. Online unter https://globalmagazin.eu/themen/wirtschaft/ausleihen-in-der-bibliothek-der-dinge/

[3] Library of Things (o. J.): Our Mission. Online unter https://participate.libraryofthings.co.uk/mission

[4] OCLC (2025): Bibliothek der Dinge. Online unter https://connect.oclc.org/bib-der-dinge

[5] SWR Aktuell (2023): Bibliothek der Dinge – So können Bibliotheken heute noch Erfolg haben. Online unter https://www.youtube.com/watch?v=EZMCRdujIHI

[6] Ameli, Najine (2020): Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge. Bielefeld: transcript.

[7] Claudelin, Anna; Tuominen, Kaisa; Vanhamäki, Susanna (2022): Sustainability Perspectives of the Sharing Economy: Process of Creating a Library of Things in Finland In: Sustainability, Jg. 14, H. 11

[8] Lehnert, Sarah; Schmid-Ruhe, Bernd (2022): Der Marketingeffekt steht klar im Mittelpunkt In: BuB Forum Bibliothek und Information, H. 74. Online unter https://www.b-u-b.de/detail/der-marketingeffekt-steht-klar-im-mittelpunkt

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert